Sozialkunde fristet im Schulalltag eher ein Schattendasein. Viele Schüler und Schülerinnen nehmen das Fach Sozialkunde als reines Lernfach, als Nebenfach wahr. Dass Sozialkunde oder die Beschäftigung mit Politik aber sogar „lebensgefährlich“ sein kann, ist z. B. dem Zitat Voltairs zu entnehmen:
„Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen."
Voltaire, Schriftsteller und Philosoph (1694-1778)
Dies war nicht nur in früheren Jahrhunderten so, sondern heute erleben wir dies anhand der aktuellen Flüchtlingsproblematik hautnah. In den Turnhallen der Reischleschen Wirtschaftsschule, welche die Staatliche FOSBOS Augsburg mitbenutzt, waren im September 2015 viele Flüchtlinge einquartiert, die unter Einsatz ihres Lebens versuchten, in ein sicheres demokratisches Land zu gelangen.
Mit aktuellen Fragen, aber vor allem auch mit der Frage, wer bestimmt, was in unserem demokratischen Staat passiert, setzt sich Sozialkunde kritisch auseinander.
„Demokratie ist keine Glücksversicherung, sondern das Ergebnis politischer Bildung und demokratischer Gesinnung."
Theodor Heuss, deutscher Politiker und 1. Bundespräsident der BRD
(1884-1963)
Dieser Aussage Theodor Heuss´ gilt es heute im Sozialkundeunterricht nachzugehen. Dies geschieht auf vielfältige Art und Weise:
Anhand von Karikaturen, Schaubildern, Zahlenmaterial, Informationen zu den verschiedenen politischen Institutionen und aktuellen politischen Fragestellungen, durch Zeitungsartikel, Unterrichtsgänge etc. sollen die Schüler und Schülerinnen zum „mündigen Staatsbürger“ herangebildet werden.
Projekte aus dem Fachbereich Sozialkunde finden sich auf der Homepage unter Schulleben, Aktivitäten. Hierbei sei z. B. auf das „Türkei-Projekt“ verwiesen.
Die Integration von Migranten ist heutzutage wichtiger denn je. Immer mehr Schüler und Schülerinnen haben inzwischen einen Migrationshintergrund. Aufgrund dessen werden Schulen vor immer neue Aufgaben gestellt. Um ein Zusammenwachsen der Schüler und Schülerinnen zu fördern, wurde im Juli des vergangenen Schuljahres eine Veranstaltung zum Thema „Migration und Integration“ an der Berufsoberschule in Augsburg durchgeführt. Herr Jakob Fischer, Projektleiter bei der LMDR (Landsmannschaft der Deutschen aus Russland) kam mit einer Wanderausstellung zum Thema an die Schule. Der Schwerpunkt der Veranstaltung lag auf der Geschichte der Russlanddeutschen. Insgesamt 28 Klassen der Berufsoberschule mit jeweils bis zu 25 Schülern und Schülerinnen besuchten die Veranstaltung an vier Tagen. In einem multimedialen Vortrag spannte Herr Fischer einen Bogen von der Situation der Russlanddeutschen bis hin zu der von Flüchtlingen. Es gelang ihm immer wieder Schüler und Schülerinnen einzubinden und von ihren Wurzeln berichten zu lassen. Erstaunlich ist die Bandbreite der verschiedenen Nationalitäten wie z. B. Afghanistan, Pakistan, Brasilien, Türkei bis Vietnam, die auch an der Berufsoberschule vertreten sind. Dieses vom Bundesministerium des Inneren geförderte Projekt ist bei den Schülern und Schülerinnen auf fruchtbaren Boden gefallen und wird in den nächsten Jahren wiederholt werden!
Birgit Fischer, Sozialkundefachbetreuung
Der Jugendoffizier der Bundeswehr Hauptmann Marberger referiert vor Schülern und Schülerinnen der 12. Klasse aus verschiedenen Zweigen der Fach- und Berufsoberschule über die aktuellen Einsätze der Bundeswehr im Ausland und informiert zum Thema Islamischer Staat. Mit einer sehr anschaulichen Powerpointpräsentation untermalt er die Probleme, die sich durch die unterschiedlichen Herausforderungen für die Bundeswehr und vor allem für die Soldaten ergeben.
Hauptmann Marberger erläutert die verschiedenen Aufgaben der Bundeswehr im Ausland und stellt exemplarisch deren Auftrag im Hinblick auf die Terrorgruppe Islamischer Staat dar. Er thematisiert kurz, wo diese Gruppierung zurzeit verbreitet ist und beschreibt deren Ziele. Die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) ist in Syrien und im Irak verbreitet. Das Ziel des IS ist es, einen Gottesstaat im Nahen Osten zu errichten. „Während der Islamische Staat in seinem Einflussbereich in Syrien und dem Irak zunehmend unter militärischen Druck gerät, besteht nicht nur in Europa weiterhin die Gefahr von Anschlägen durch die Terrororganisation.“ https://www.lpb-bw.de/islamischer-staat.html
Er legt weiter dar, wie die Entstehung der außenpolitischen Probleme mit den Entwicklungen des arabischen Frühlings zusammenhängt und geht auf die besondere politische Situation in Syrien ein. Um diese Situation nachvollziehen zu können, zeigt er am Beispiel Syriens auf, wie ein Staat nach und nach zerfällt und welche Schwierigkeiten dadurch für die Bevölkerung und das Ausland entstehen.
Marberger nimmt sodann Bezug auf die Flüchtlingskrise, die u. a. durch dem Bürgerkrieg in Syrien ausgelöst wurde, vermittelt den Schülern und Schülerinnen überdies, dass viele Flüchtlinge auch aus anderen Gebieten kommen und es somit z. B. eine Binnenwanderung auf einigen Kontinenten wie Südamerika gibt. Mit diversen Karten und Grafiken konkretisiert er seine Ausführungen sehr anschaulich, so dass für die Zuhörer gut nachzuvollziehen ist, mit welchen Problemen die Flüchtenden konfrontiert sind und mit welchen Erwartungen sie oft in die Aufnahmeländer kommen.
Ein wichtiger Punkt seines Vortrages beschäftigt sich mit der Frage, wieso Menschen aus anderen Nationen für den IS kämpfen. Neben den Punkten der Radikalisierung und einer fehlenden Perspektive vor allem von jungen Erwachsenen, nennt er das Ausbrechen aus dem Alltag, um eine Art „Abenteuer“ zu erleben. Wie dieses „Abenteuer“ vor allem für junge Frauen aussieht, macht er anschaulich deutlich und es wird klar, dass die Zwangsverheiratungen oder der Verkauf der Frauen alles andere als ein „Abenteuer“ sind.
Hauptmann Marberger thematisiert des Weiteren, woher der IS die Waffen erhält, welche im Kampf eingesetzt werden und woher der IS Geld bezieht. Mit ca. 2 Mrd. Dollar Vermögen hat der IS eine enorme finanzielle Macht, um seinen Kampf in Syrien zu finanzieren.
Der Referent hebt zudem die Probleme hervor, die aufgrund der Terrororganisation Islamischer Staat auf die Bundesrepublik Deutschland und auf die Bundeswehr zugekommen sind und noch zukommen werden.
Nach der Grundsatzentscheidung für eine Beteiligung an der Militäroperation setzt Deutschland Tornado-Aufklärungsflugzeuge und ein Kriegsschiff im Anti-IS-Kampf ein. Allein auf der Fregatte, die den französischen Flugzeugträger Charles de Gaulle im Mittelmeer schützen soll, sind mehr als 200 deutsche Soldaten im Einsatz. Zudem bilden die deutschen Soldaten auch kurdische Peschmerga und andere irakische Kämpfer wenige Kilometer hinter der Frontlinie aus.
Somit entsteht ein sehr umfassendes Bild über die Aufgaben der Soldaten.
An weiteren Beispielen führt er die verschiedenen Aspekte von einigen Auslandseinsätzen der Bundeswehr auf und geht auch immer wieder auf Fragen von Seiten der Schüler und Schülerinnen ein, die häufig ein Interesse vor allem auch an ganz pragmatischen Dingen haben, wie z. B. wie die Soldaten versorgt werden, was passiert, wenn ein Soldat im Ausland verletzt wird oder gar zu Tode kommt. Insgesamt gelingt es Marberger, die jungen Erwachsenen sehr umfassend über das Themengebiet zu informieren.
Wieso lädt man die südkoreanische Kulturbotschafterin an eine deutsche Schule ein? Was kann Südkorea der deutschen humanistisch geprägten Kultur entgegenstellen? Erstaunlich viel und erstaunlich beeindruckende kulturelle Errungenschaften.
Frau Jung-Ja Holm, die südkoreanische Kulturbotschafterin, hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Deutschen die kulturellen Leistungen Südkoreas näher zu bringen und sie macht dies mit viel Enthusiasmus. So stellt sie in einem Vortrag untermalt mit Filmmaterial wesentliche Leistungen der Südkoreaner vor. Zunächst geht sie auf die Tripitaka Koreana ein:
Die Tripitaka Koreana gehört zum Weltkulturerbe. Es handelt sich hierbei um eine der am besten erhaltenen und ältesten buddhistischen Kalligraphien der Welt. Vor rund 750 Jahren wurden mehr als 80.000 Druckstöcke geschaffen. Buddhistische Schriften aus verschiedenen Jahrhunderten wurden so in ca. 6.000 Bänden verewigt.
Das ist eine immense Leistung, wenn man bedenkt, dass die Menschen der damaligen Zeit diese Druckstöcke ohne hochentwickelte Maschinen angefertigt haben und sie heute noch voll funktionsfähig und sehr gut erhalten sind. Was bedeutet dies in Zahlen?
Zum einen sind dazu ca. 15.000 Baumstämme benötigt worden und ca. 80.000 – 120.000 Menschen waren nur damit beschäftigt, die Bäume zu fällen und weiterzuverarbeiten.
Die Haltbarkeit wurde verbessert, indem das Holz für drei Jahre in Schlick vergraben wurde, so dass die Rauheit der Faser reduziert und die Beständigkeit des Holzes erhöht werden konnte.
Die Herstellung der 80.000 Druckstöcke hat allein 16 Jahre in Anspruch genommen, da pro Tag von einer Person etwa 40 Schriftzeichen in den Druckstock eingearbeitet wurden und es waren somit mindestens 1 Million Handwerker notwendig. Allein das Einarbeiten der Schriftzeichen bedarf einer Unmenge an Personen. Über 52 Mio. Schriftzeichen wurden mit größter Sorgfalt in die Holzplatten geschnitzt. Kalligraphen haben ca. ½ Million Blätter hergestellt. Wenn davon ausgegangen werden kann, dass eine Person etwa 50 Seiten pro Tag herstellte, dann benötigte man für die 6.000 Bände in etwa 10.000 Personen nur für den Druck.
Dass diese Druckstöcke heute noch in so exzellenter Qualität vorhanden sind, hängt damit zusammen, dass sie zum Haeinsa-Tempel gebracht wurden, wo für diese Druckstöcke spezielle Lagerungsgebäude gebaut wurden, in denen sie bis heute aufbewahrt werden. Die Aufbewahrungs-halle ist gleichzeitig mit einem Belüftungssystem versehen worden, so dass alle Holzdruckplatten bis heute unbeschädigt geblieben sind.
Dies ist nur eine der vielen kulturellen Errungenschaften, die von Frau Jung-Ja Holm, der südkoreanischen Kulturbotschafterin, in ihrem Vortrag vorgestellt wurden. Es stellt die Emsigkeit der Südkoreaner und deren Durchhaltevermögen dar.
Über kleine Filmbeiträge wurde zudem die koreanische Schrift vorgestellt, Hangul, das „Alphabet des Mitgefühls“, das König Sejong der Große (1367-1422) entwickelt hat. Außerdem hat er sich mit der Erfindung von Sonnen-, Sternen- und Wasseruhren beschäftigt, hat zudem einen Regenmesser erfunden, der eine Fehlertoleranz von 0,51 Prozent aufweist und viele andere wichtige und ausgetüftelte technischen Errungenschaften, die uns auch heute noch das Leben erleichtern. Somit wird deutlich, dass ein Land, das uns oft so fremd ist, für die kulturelle Entwicklung der Welt Wesentliches geleistet hat.
Birgit Fischer